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Windenergie - VGH Mannheim zur Wirksamkeit von Nebenbestimmungen mit Abschaltautomatik

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Urteil des VGH Baden-Württemberg: Warum die Prüfung der Wirksamkeit eines Antikollissionssystems nicht in ein der Genehmigung nachgelagertes Abstimmungs- bzw. Zustimmungsverfahren verlagert werden kann.

Ein Fall des VGH Baden-Württemberg (v. 11.12.2023 – 10 S 1914/22) zeigt, wie schwerwiegende Abschaltzeiten durch Nebenbestimmungen über die Einführung von Abschaltautomatiken (nicht) nachträglich abgemildert werden können und worauf bei der Formulierung zu achten ist, damit die Nebenstimmung wirksam ist.

Ein langwieriges Verfahren: Abschaltzeiten und noch mehr Abschaltzeiten

Die Planung des Vorhabens begann bereits 2013 mit einem Scoping-Verfahren für sieben Windenergieanlagen. Das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren führte aufgrund von Bedenken hinsichtlich des Artenschutzes, insbesondere des Rotmilans und Fledermäusen, zu abgelehnten Anträgen, gerichtlichen Überprüfungen sowie verschiedenen Antragsänderungen und -ergänzungen. Letztlich wurde eine Genehmigung nach dem Immissionsschutzrecht für fünf Windenergieanlagen erteilt. Allerdings müssen diese Anlagen tagsüber von März bis September wegen des Rotmilans abgeschaltet werden und nachts wegen der Fledermäuse. Somit konnten die Anlagen nur fünf Monate lang tagsüber betrieben werden.

Eine (wirksame) Nebenbestimmung zur nachträglichen Abschaltautomatik

Da sich ein Vorhaben mit derartigen Abschaltzeiten kaum trägt, wurde eine Nebenbestimmung zur nachträglichen Einführung einer Abschaltautomatik aufgenommen, „wonach zu einem späteren Zeitpunkt ein bis dahin in Deutschland allgemein auch für Waldstandorte eingeführtes und verifiziertes Abschaltsystem, das den Anforderungen der geltenden Rechtslage entspricht, in Abstimmung mit und mit schriftlicher Zustimmung der Genehmigungsbehörde installiert werden kann, soweit der Nachweis erbracht wird, dass unter Berücksichtigung der Kartierungen ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für den Rotmilan durch ein solches System ausgeschlossen werden kann.“ Über die Klage der Naturschutzinitiative e.V. gegen diese Nebenbestimmung hatte nun der VGH Baden-Württemberg zu entscheiden.

Der VGH legte diese Formulierung so aus, dass, soweit es ein solches Abschaltsystem gäbe, (nur) eine Abstimmung mit und die schriftliche Zustimmung der Genehmigungsbehörde beauflagt sei. Nach dem Bundesimmissionsschutzgesetzes sind jedoch Änderungen des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Anlage

  1. anzuzeigen wenn die Änderung bedeutsam ist (§ 15 Abs. 1 BImSchG) und
  2. genehmigungsbedürftig, wenn es sich um eine wesentliche Änderung handelt (§ 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG).

Die Installation, eines die pauschale Abschaltung ganz oder teilweise ersetzenden automatischen Abschaltsystems, von einer schlichten (Abstimmung und) Zustimmung der Genehmigungsbehörde abhängig zu machen, widerspreche als zumindest anzeigepflichtige Änderung – so der VGH – dem Regelungsregime des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zur Änderung genehmigungsbedürftiger Anlagen. Der VGH lehnte dabei auch die Möglichkeit ab, die Nebenbestimmung so zu verstehen, dass ein Abschaltsystem nur unter Wahrung der verfahrensrechtlichen Vorschriften (des BImSchG) anstelle der Pauschalabschaltung installiert werden dürfte.

Den dritten Leitsatz zitierend heißt das zusammengefasst: „Die Prüfung der Wirksamkeit eines automatischen Abschaltsystems, {…}, kann nicht in ein der Genehmigung nachgelagertes Abstimmungs- bzw. Zustimmungsverfahren verlagert werden.“ Für den vorliegenden Fall bedeutete das zwar eine teilweise Niederlage, doch gibt es Aufschluss darüber, wie es mit anderer Umsetzung funktionieren kann: Denn der VGH Baden-Württemberg hat damit nicht ausgedrückt, dass eine Nebenbestimmung zur Abschaltautomatik generell nicht festgesetzt werden kann, sondern nur nicht in der konkreten Umsetzung. Denkbar sind hierfür zwei Konstellationen:

  1. Die Nebenbestimmung bezieht sich konkret auf ein automatisches Abschaltsystem, womit bereits im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren das Abschaltsystem auf Wirksamkeit überprüft und schließlich mitgenehmigt werden kann. Dies bedarf zwar im Vorfeld einer detaillierten aufwendigeren Planung, verspricht allerdings diesbezüglich Klarheit und Sicherheit über Milderungsmöglichkeiten der pauschalen Abschaltzeiten.
  2. Als zweite Variante ist eine Nebenbestimmung denkbar, die die pauschalen Abschaltzeiten ganz oder teilweise entfallenlassen, sofern in einem nachgelagerten Verfahren die Einführung eines automatische Abschaltsystem genehmigt wird. Diese Nebenbestimmung wäre zwar redundant, weil sie nur ein sowieso bestehendes Verfahrensrecht des Betreibers wiedergibt; sie kann dennoch hilfreich sein, die Genehmigung einzuordnen.

Artenschutz und Abschaltzeiten ausreichend in Planung berücksichtigen

Unabhängig davon, wie das Vorhaben genau gelagert ist und welche Abschaltzeiten aufgrund von Artenschutz vorgegeben sind, können automatische Abschaltsysteme interessante Lösungen bieten. Der Fall zeigt allerdings deutlich, dass die Ausgestaltung der Nebenbestimmung Präzision und Erfahrung benötigt, damit diese einer gerichtlichen Prüfung standhält.