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BGH zur Kundenanlage: Neue Maßstäbe für die Abgrenzung zum Verteilernetz

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In einer richtungsweisenden Entscheidung klärt der BGH, wann Anlagen als privilegierte Kundenanlage qualifiziert werden können. Der nun veröffentliche Beschluss im Überblick.

Mit Beschluss vom 13.5.2025 (Az. EnVR 83/20) hat der BGH zur Auslegung des Begriffs der sogenannten Kundenanlage im Sinne des § 3 Nr. 24a Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) Stellung genommen (wir berichteten) – eine Qualifizierung, die einen erleichterten energierechtlichen Rechtsrahmen eröffnet und mit weniger administrativem Aufwand einhergeht. Dies nehmen wir zum Anlass, den jüngst veröffentlichen Beschluss zu beleuchten und zeigen auf, wie Energieanlagenbetreiber von den regulatorischen Erleichterungen einer Kundenanlage profitieren können.

Hintergrund: Streit um Status als Kundenanlage

Im Zentrum des langwierigen Rechtsstreits stand die Frage, ob zwei geplante Leitungssysteme mit Stromlieferung über eigenständige Blockheizwerke an mehr als 300 Wohneinheiten – außerhalb der klassischen Netzstruktur – noch als Kundenanlage im Sinne des § 3 Nr. 24a EnWG einzustufen sind.

Die Relevanz des aktuellen BGH-Beschlusses liegt darin, dass Betreiber von der Einstufung als Kundenanlage profitieren, indem sie nicht den strengen Anforderungen an Energieversorgungsnetze im Sinne des § 3 Nr. 16 EnWG unterliegen: Weder greifen die Entflechtungspflichten der §§ 6 ff. EnWG noch die üblichen Netzbetreiberpflichten – insbesondere aus §§ 19 und 20 EnWG – noch fallen Netzentgelte an.

Bislang: Größe und Leistungsfähigkeit im Fokus

Für die Qualifizierung als Kundenanlage müssen die Kriterien von § 3 Nr. 24a EnWG erfüllt sein. Zentral ist hierbei, dass die Anlage "für die Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas unbedeutend ist" (§ 3 Nr. 24a lit. c EnWG). Dies war nach bisheriger Auslegungspraxis der Fall, wenn sie weder in technischer noch in wirtschaftlicher noch in versorgungsrechtlicher Hinsicht ein Ausmaß erreichte, das Einfluss auf den Versorgungswettbewerb und die durch die Regulierung bestimmte Lage des Netzbetreibers haben kann.

Ausschlaggebend waren dabei regelmäßig die Größe und die Leistungsfähigkeit der Anlage.

Neuer BGH-Maßstab: Netzstruktur statt Anlagengröße

Nachdem die Rechtssache zunächst dem EuGH zur Klärung der Rechtskonformität der EnWG-Vorschriften mit der EU-Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie vorgelegt wurde, verabschiedete sich der BGH nun von der bisherigen Auslegungspraxis:

Nach richtlinienkonformer Auslegung von § 3 Nr. 24a EnWG soll eine Anlage nur dann als Kundenanlage qualifiziert werden können, wenn sie nicht als reguliertes Verteilernetz einzustufen ist – sie also nicht den Verkauf von Elektrizität an Endkunden gegen Entgelte zum Gegenstand hat.

Die Größe und die Leistungsfähigkeit der Anlage sind damit nicht länger die maßgeblichen Indikatoren für die Qualifizierung als Kundenanlage nach § 3 Nr. 24a EnWG.

Ab sofort: Verteilernetz schließt Privilegierung aus

Maßgebend ist nunmehr, dass die Anlage kein Verteilernetz nach europarechtlichen Vorgaben darstellt. Nach unionsrechtlich einheitlicher Auslegung ist ein „Verteilernetz“ ein Netz, das der Weiterleitung von Elektrizität mit Hoch-, Mittel- oder Niederspannung dient, die zum Verkauf an Großhändler und Endkunden bestimmt ist. Eine Befreiung soll nur möglich sein, wenn nach Unionsrecht oder nach nationalem Recht eine Ausnahme vorgesehen ist. Anderenfalls ist die Anlage nicht als Kundenanlage zu qualifizieren und profitiert nicht von regulatorischen Erleichterungen wie ausbleibenden Netzbetreiberpflichten oder entfallenden Netzentgelten.

Folglich sind Verteilernetze vom Anwendungsbereich des § 3 Nr. 24a EnWG ausgenommen. Erfasst werden weiterhin aber Leitungssysteme, die zur Weiterleitung von Elektrizität dienen, ohne auf den Verkauf ausgerichtet zu sein – darunter etwa Anlagen zur Eigenversorgung.

Fazit: Klarheit mit Lücken - Unsicherheiten bleiben bestehen

Mit der Entscheidung stellt der BGH zwar klar, dass sich Energieversorger nicht mehr ohne Weiteres auf den Kundenanlagenstatus nach § 3 Nr. 24a EnWG berufen können, wenn die Struktur ihrer Anlagen den unionsrechtlichen Vorgaben an regulierte Verteilernetze entspricht.

Die Einstufung als Kundenanlage ist nunmehr nur dann möglich, wenn das Leitungssystem nicht dem Verkauf von Strom an Endkunden dient und weiterhin keinen wettbewerbsrelevanten Einfluss entfaltet.

Dennoch bleiben praxisrelevante Fragen offen – insbesondere, ab wann genau eine Anlage als regulierungspflichtiges Verteilernetz gilt. Unklar bleibt dabei vor allem, wie konkrete Größen- und Versorgungsschwellen zu bewerten sind. Außerdem dürfte sich Anpassungsbedarf bei den Begriffsbestimmungen des § 3 EnWG ergeben – besonders mit Blick auf Kundenanlagen gemäß § 3 Nr. 24a EnWG. Energieversorger stehen damit vor der Herausforderung, ihre Projekte sorgfältig zu prüfen, die relevanten Abgrenzungskriterien zu identifizieren und ggf. finanzielle sowie organisatorische Anpassungen vorzunehmen. Das gilt insbesondere für größere Quartierslösungen, Mieterstrommodelle oder Versorgungskonzepte mit mehreren Letztverbrauchern.


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