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BGH entscheidet zugunsten der Anlagenbetreiber: Entschädigungsansprüche nach § 15 EEG auch bei Einspeisemanagement infolge von Netzausbau

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Der BGH hat dem Gezerre um die Anwendbarkeit von Entschädigungsansprüchen nach dem EEG für Fälle des Netzausbau nun ein Ende bereitet. Die in ihrer Anwendung immer wieder umstrittene Härtefallregelung nach § 15 EEG greift nach Auffassung der Bundesrichter gerade auch dann, wenn Netzausbaumaßnahmen zu einer verringerten Aufnahmekapazität führen und Anlagenbetreiber infolgedessen ihre Anlagen abregeln müssen (BGH, Urteil vom 11. Februar 2020 -XIII ZR 27/19).

Hintergrund der Auseinandersetzung

Dem Urteil ging ein jahrelanger Rechtsstreit voraus. Geklagt hatte ein Anlagenbetreiber aus Brandenburg, dessen sechs Windenergieanlagen im Zeitraum zwischen 2014 und 2016 mehrfach vom Netz getrennt werden mussten.

Grund war unter anderem, dass der örtliche Verteilnetzbetreiber in diesem Zeitraum Reparatur-, Instandhaltungs- und Ausbaumaßnahmen am Netz durchgeführt hatte. Diese Arbeiten resultierten zeitweise in deutlich verringerten Aufnahmekapazitäten. Um das Netz nicht zu überlasten mussten in der Folge die angeschlossenen Anlagen gedrosselt werden. Die entgangenen Einnahmen forderte der betroffene Anlagenbetreiber vom Netzbetreiber zurück. Zu Recht, so nun das Karlsruher Urteil.

Noch vor zwei Jahren hatte das OLG Naumburg dem Begehren des Ökostromproduzenten eine Absage erteilt. Mit recht dürftiger Begründung (7 U 25/18 OLG Naumburg). Die sachsen-anhaltischen Richter argumentierten, dass der Härtefallanspruch nach § 15 EEG (bzw. in früheren Fassungen nach § 12 EEG) nur dann greife, wenn das Netz aufgrund einer zu hohen Einspeisung überlastet sei. Nur wenn dem Netz eine solche produktionsseitige Überlastung drohe, läge auch ein sog. Netzengpass vor.

Das Vorliegen eines solchen Netzengpasses sei aber Voraussetzung um eine Drosselung der Anlage als Maßnahme des Einspeisemanagements nach § 14 EEG zu qualifizieren. Dementsprechend sei auch der Härtefallanspruch für Einspeisemanagementmaßnahmen nach § 15 EEG auf derartige Überproduktionskonstellationen begrenzt.

Im Übrigen würde eine Anwendung bei Arbeiten am Netz dazu führen, dass der Netzausbau nicht vorangetrieben, sondern ausgebremst werde – und das gegen die eigentliche Stoßrichtung des EEG. Eine angeblich bestehende Rechtsprechung des BGH zu reparatur-, wartungs- und instandhaltungsbedingten Netztrennungen sei auf den Netzausbau zu übertragen. Bezugnehmend auf diese Argumentation entschied dann auch im vergangenen Jahr das OLG Brandenburg, dass keine Entschädigung zu zahlen sei (OLG Brandenburg, Urt. v. 30.7.2019 − 6 U 28/18).

Entscheidung des BGH

Dieser Verkürzung des Anwendungsbereichs der §§ 14 und 15 EEG erteilten die Karlsruher Richter nun eine klare Absage. Rechtsfehlerhaft habe das OLG angenommen, dass die Entschädigungsnorm nur für die Fälle gedacht sei, in denen aufgrund einer zu hohen Einspeisung eine Netzüberlastung drohe.

Vielmehr sei es irrelevant, auf welche Ursache die Netzüberlastung zurückzuführen sei. Für die Anwendung der §§ 14 und 15 EEG käme es allein auf die Erschöpfung der Netzkapazität an - und zwar unabhängig davon, ob die Überlastung auf einer zu hohen Einspeisung beruht, oder aber das Netz aufgrund von Baumaßnahmen vorrübergehend nur verringerte Strommengen verkraften kann. Für das "Ob" eines Netzengpasses sei es unerheblich, auf welcher Ursache die Überlastung beruht, so die Richter.

Dementsprechend seien auch Drosselungen während der Durchführung von Reparatur-, Instandhaltungs- und Ausbaumaßnahmen als Maßnahmen des Einspeisemanagements nach § 14 EEG zu qualifizieren und daran anschließend Entschädigungen nach § 15 EEG zu zahlen.

Die Argumente der Oberlandesgerichte seien weder durch die Gesetzesmaterialen zu untermauen, noch entsprächen sie dem Gesetzeszweck und der Entstehungsgeschichte des Entschädigungsanspruchs. Eine Einschränkung der Vorschrift auf Überproduktionskonstellationen ließe sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen (BT-Drucks. 17/6071, S. 65). Der § 15 EEG solle im Übrigen Anlagenbetreiber vor unverschuldeten Produktionsausfällen schützen und so Investitionssicherheit garantieren.

Diesem Zweck könne die Vorschrift nur bei einem möglichst breiten Anwendungsbereich gerecht werden. Auch sei der Anspruch trotz kontinuierlichem Zubau von Anlagen in keiner einzigen EEG-Novelle auf Fälle der Überproduktion beschränkt worden. Im Übrigen seien die Netzbetreiber auch nicht Schutzwürdig, da sie die Mehrkosten nach § 15 Abs. 2 EEG auf die Netzentgelte umlegen können, sofern sie den Netzengpass nicht zu vertreten haben. Schlussendlich würden die Informationspflichten zur Ankündigung von Einspeisemanagementmaßnahmen § 14 Abs. 2 EEG vollends leerlaufen, wenn hiervon nicht auch geplante Ausbaumaßnahmen erfasst wären.

Hieraus folgernd kam der Senat zu dem Ergebnis, dass Entschädigungen auch dann zu zahlen sind, wenn die Kapazität des betroffenen Netzbereichs deswegen vorübergehend eingeschränkt ist, weil ein zugehöriges Betriebsmittel infolge einer Störung oder der Durchführung von Reparatur-, Instandhaltungs- oder Netzausbaumaßnahmen nicht zur Verfügung steht (Amtlicher Leitsatz).

Folgen für die Praxis

Von Netzabschaltungen betroffene Anlagenbetreiber können aufatmen. Der – gelinde gesagt – schwer nachzuvollziehenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zur Einschränkung des Anwendungsbereichs der §§ 14 und 15 EEG haben die Karlsruher Richter eindeutig widersprochen. Das ist begrüßenswert, bedeuten langanhaltende Drosselungen für viele Anlagenbetreiber doch ein existenzielles wirtschaftliches Risiko.

Mit der Entscheidung des BGH werden nicht nur gesunde Unternehmen vor der unverschuldeten Insolvenz geschützt, sondern auch Anreize zum zügigen Netzausbau gesetzt. Welcher Netzbetreiber zahlt schließlich schon gerne für Strom, den er gar nicht weiterverkaufen kann? Investitionssicherheit für Grünstromanlagen und zügiger Netzausbau fördern dabei die nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung - insbesondere auch im Interesse des Klima- und Umweltschutzes. Ganz so, wie es § 1 Abs. 1 EEG verlangt.

Im Übrigen sei angemerkt: Der BGH bestätigt damit auch unsere Auffassung – und letztlich den schlichten Wortlaut des Gesetzes! – die wir bereits mehrfach Netzbetreibern gegenüber geltend gemacht haben

Nicht zuletzt unter Verjährungs- und / oder Verwirkungsgesichtspunkten darf jetzt nicht gezögert werden. Unrechtmäßig einbehaltene oder nicht gezahlte Entschädigungen sollten unverzüglich ein- bzw. zurückgefordert werden.