Windenergie – OVG Bautzen: Neue Hürden für Vorbescheidsverfahren nach § 9 Abs. 1a BImSchG
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Mit der Einführung von § 9 Abs. 1a BImSchG sollten Vorbescheide für Windenergieprojekte vereinfacht werden. Der jüngst eingeführte Satz 2 könnte diesem Ziel nun jedoch zuwiderlaufen – und das Vorbescheidverfahren erschweren.
Die MASLATON Rechtsanwaltsgesellschaft mbH war an dem Verfahren beteiligt. Der Beitrag berichtet über die wichtigsten Punkte in der Urteilsbegründung zu § 9 Abs. 1a Satz 2 BImSchG. Das erwartet Projektierende in aktuellen und künftigen Verfahren.
Neue Einschränkung durch § 9 Abs. 1a Satz 2 BImSchG
Im Zuge der Novelle des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) im vergangenen Jahr wurde § 9 BImSchG um einen neuen Absatz 1a ergänzt, um Projektierenden von Windenergieanlagen das Vorbescheidverfahren zu erleichtern (wir berichteten). Nun hat der Gesetzgeber erneut nachgesteuert – durch den am 28.02.2025 eingefügten Satz 2 von § 9 Abs. 1a BImSchG wurde die Anwendungsvoraussetzung für die erleichterte Vorbescheiderteilung erheblich verschärft.
Der neue § 9 Abs. 1a Satz 2 BImSchG lautet:
„Das berechtigte Interesse für einen Antrag auf Vorbescheid über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 35 des Baugesetzbuchs besteht nicht, wenn der Vorhabenstandort außerhalb von ausgewiesenen Windenergiegebieten oder in Aufstellung befindlichen Windenergiegebieten im Sinne des § 2 Nummer 1 des Windenergieflächenbedarfsgesetzes […] liegt, es sei denn, es handelt sich um ein Vorhaben im Sinne des § 16b Absatz 1 und 2 dieses Gesetzes.“
OVG Bautzen: Kein neuer Antrag bei Verfahrensänderung erforderlich
Die Gesetzesänderung wurde nun in einem Verfahren vor dem OVG Bautzen (mündliche Verhandlung im März 2025; Az. 1 C 35/21) gegenständlich, in dem eine Projektiererin gegen die Ablehnung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids zur Errichtung von zwei Windenergieanlagen klagte.
Hierbei stellte das OVG zunächst klar, dass § 9 Abs. 1a BImSchG auch auf bereits vor dessen Inkrafttreten gestellte Vorbescheidsanträge anwendbar ist. Eine Umstellung des Verfahrens auf die neue Rechtsgrundlage kann demnach auch ohne erneuten Antrag erfolgen.
Dies ergebe sich aus dem Wortlaut und der Systematik der Vorschrift, da diese nicht von mehreren verschiedenen Vorbescheidverfahren ausginge und so auch der ursprünglich beantragte Vorbescheid nach § 9 Abs. 1 BImSchG erfasst würde. Die einzige Anwendungsvoraussetzung sei, dass noch kein Genehmigungsantrag gestellt wurde.
"In Aufstellung befindliches Windenergiegebiet" - keine Mindestplanreife erforderlich
Trotz Zulässigkeit verneinte das OVG im konkreten Fall jedoch das berechtigte Interesse nach § 9 Abs. 1a BImSchG der Projektiererin – denn der Standort der geplanten Windenergieanlagen lag nicht innerhalb eines „in Aufstellung befindlichen Windenergiegebiets“ im Sinne des § 2 Nr. 1 Windenergieflächenbedarfsgesetzes (WindBG).
Für den Status „in Aufstellung befindlich“ sei vom Wortlaut des § 9 Abs. 1a Satz 2 BImSchG keine Mindestplanreife zu verlangen – weder ein konkreter Planungsentwurf noch die Öffentlichkeitsbeteiligung seien erforderlich. Vielmehr genüge bereits der bloße Beschluss zur Aufstellung eines Raumordnungsplans der zuständigen Behörde, soweit dieser auch die Ausweisung von Windenergieanlagen zum Gegenstand hat.
Das OVG stützte dieses Ergebnis auf eine präzise Auslegung des § 9 Abs. 1a BImSchG, insbesondere unter Berücksichtigung der Systematik der Norm sowie der gesetzgeberischen Intention. Ziel der Vorschrift sei eine effektive räumliche Steuerung der Windenergienutzung durch Konzentration auf planerisch festgelegte Gebiete. Der Gesetzgeber habe ausdrücklich verhindern wollen, dass ein zeitlicher Wettlauf zwischen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheidsverfahren und der behördlichen Flächenplanung entsteht. Bereits die Möglichkeit, Anlagenstandorte im Wege eines Vorbescheids vorzeitig abzusichern, könne eine geordnete Planung unterlaufen und die Planungshoheit der Länder substanziell beeinträchtigen.
Fazit: Neue Herausforderungen im Vorbescheidverfahren
Die aktuellen Entwicklungen führen zu einer spürbaren Verschiebung im Genehmigungsregime für Windenergieanlagen. Der zeitliche Anknüpfungspunkt für die Sperrwirkung des § 9 Abs. 1a Satz 2 BImSchG wird deutlich vorgelagert – bereits erste planerische Schritte können das vereinfachte Vorbescheidverfahren faktisch blockieren. Vorbescheidsanträge haben daher de facto nur noch Aussicht auf Erfolg, wenn der geplante Anlagenstandort in einem ausgewiesenen oder in Aufstellung befindlichen Windenergiegebiet liegt.
Selbst innerhalb solcher nach diesem Verständnis bereits in Aufstellung befindlicher Gebiete drohen Unsicherheiten, solange noch keine konkreten räumlichen Festlegungen getroffen wurden. Projektierende sollten diese Voraussetzungen künftig frühzeitig im Blick behalten und – sofern noch keine entsprechende Planung vorliegt – gezielt darauf hinwirken, dass potenzielle Vorhabengebiete frühzeitig in die planerische Abwägung einbezogen und entsprechend verankert werden.
