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Windenergie - Weltkulturerbe steht dem Schutz der Welt nicht entgegen

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Zwei Oberverwaltungsgerichte räumen Windenergieanlagen den Vorrang gegenüber UNESCO-Weltkulturerbe ein. Nicht jede mögliche Blickbeziehung zwischen Windenergieanlage und schützenswerter Landschaft führt zu einer optischen Beeinträchtigung.

„Weltkulturerbe steht dem Schutz der Welt nicht entgegen“ – So könnte man zwei Entscheidungen von Oberverwaltungsgerichten aus Rheinland-Pfalz und Sachsen betiteln. In den beiden Entscheidungen wurde objektiv betrachtet dem Klimaschutz durch den Bau und die Errichtung von Windenergieanlagen der Vorrang eingeräumt. Während die Gründe des OVG Bautzen noch nicht vorliegen, hat das OVG Koblenz (14.08.2023 – 1 C 10576/21) seine ausführliche Begründung veröffentlicht.

Die Windenergieanlagen „zu nah“ am Welterbe?

Streitgegenständlich vor dem OVG Koblenz waren vier Windenergieanlagen. Die Anlagenstandorte – geplant auf einer Fläche, die gemäß dem Flächennutzungsplan als Konzentrationsfläche für Windenergieanlagen ausgeschrieben ist – sich allesamt mindestens ca. 4,8 km östlich des Rheintals und damit außerhalb des Rahmenbereichs des in der Umgebung befindlichen UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal. Die Genehmigungsbehörde sah darin eine genehmigungshindernde Beeinträchtigung des Welterbes.

Keine wesentliche Beeinträchtigung des Welterbes durch Windenergieanlagen

Hauptgegenstand der Entscheidung vor dem OVG Koblenz war die Prüfung, ob durch die Errichtung raumbedeutsamer Windenergieanlagen auch außerhalb der Rahmenbereiche das UNESCO-Welterbe – so wie es die Zielfestsetzung des Landesentwicklungsprogramms (Z 163j LEP IV) verbietet „nicht wesentlich beeinträchtigt.“ Hierfür prüfte das Gericht eingehend, ob die Anlagen zu hoch (1.), zu nah (3.) seien und insbesondere, ob das Landschaftsbild dadurch beeinträchtigt oder verunstaltet werde (2.).

1. Keine Höhenüberschreitung der Windenergie-Ausschlusszonen des Landesentwicklungsplans

Zur verbindlichen Abgrenzung definiert der Landesentwicklungsplan gestaffelte Windenergie-Ausschlusszonen für Flächen, die an den Rahmenbereich angrenzen und gegenüber einer Windenergienutzung besonders sensibel sind, (Z 163j LEP IV). In diesen Bereichen ist die Errichtung von Windenergieanlagen oberhalb bestimmter Gesamthöhen ausgeschlossen.

Lediglich eine der vier Anlagen liegt in einer solchen Ausschlusszonen und würde mit 241 m die maximale Anlagenhöhe von 240 m um einen Meter überschreiten. Das OVG Koblenz sah hierin zurecht keinen Ablehnungsgrund, da dies im Wege einer Zielabweichung (§ 8 Abs. 3 Landesplanungsgesetz) oder - ganz pragmatisch - mittels einer 1,1 m tieferen Einbringung des Fundaments in das Erdreich behoben werden könne.

2. Keine Beeinträchtigung des Landschaftsbilds durch Windenergieanlagen

Des Weiteren prüfte das OVG Koblenz, ob durch die Errichtung der Windenergieanlagen eine Beeinträchtigung oder Verunstaltung des Landschaftsbildes entstehen könnte. Hierfür legte der Senat die bereits in einem früheren Urteil (6. Juni 2019 – 1 A 11532/18) entwickelten Parameter zugrunde:


Optische Beziehung, relevante Betrachtungspunkte und eine Blickbeziehung.


Danach müssen – damit ein Landschaftsbild durch eine bauliche Anlage beeinträchtigt werden kann –beide in einer bestimmten optischen Beziehung zueinanderstehen. Eine derartige optischen Beziehung setzt wiederum Betrachtungspunkte voraus, von denen aus beide Objekte in den Blick genommen werden können und diese Betrachtungspunkte mit einer gewissen Häufigkeit von potenziellen Betrachtern besucht werden, deren Zweck mit dem zu schützenden Landschaftsbild zusammenhängt. Ebenfalls relevant für die Beurteilung sind die Sichtbarkeit und Entfernung der Objekte von den Betrachtungspunkten. Eine schützenswerte optische Beziehung ist umso wahrscheinlicher, je einfacher es ist, beide Komponenten "auf einen Blick" wahrzunehmen. Je weiter der Blick schweifen muss, um beide Elemente zu erfassen, desto unwahrscheinlicher ist eine optische Beeinträchtigung, so der OVG Koblenz. Mit zunehmender Entfernung nehme die scheinbare Größe des störenden Objekts im Verhältnis zum Landschaftsbild ab und verliere auch damit an Gewicht. Nicht zuletzt seien bei der Einzelfallbetrachtung die topographische Situation, der Bewuchs, eventuelle Vorbelastungen und die genaue Lage im Raum zu berücksichtigen.

Unter Anwendung dieses Maßstabs lehnte das OVG Koblenz eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch die Windenergieanlagen ab. Zwar sei vom Grundsatz her das Gebiet des Weltkulturerbes Oberes Mittelrheintal zweifelsfrei eine besonders schutzwürdige Landschaft, doch handele es sich lediglich um Beeinträchtigungen optischer Natur. Denn um eine gemeinsame Sichtbarkeit des geschützten Tals und der mindestens ca. 4,8 km östlich entfernten Anlagen müsse ein Betrachtungspunkt gewählt werden, der nicht nur mindestens ca. 5,3 km westlich des Rheins liege, sondern auch höher gelegenen sein und mit grundsätzlich abwärts gerichtetem Blick. Und selbst unter diesen Umständen könnten die Anlagen von dort aus gesehen allenfalls am äußeren Rand des Gesichtsfelds des Betrachters erscheinen und nicht gleichsam als „Kulisse“ des geschützten Tals selbst. Dem OVG Koblenz zufolge sei für eine gleichzeitige Wahrnehmbarkeit jedenfalls der Bereich des scharfen Sehens zu gering und lehnte die insoweit geltend gemachten Einwände in Bezug auf die Aussagekraft der vorgelegten UVP-Berichte und Visualisierungen ab.

3. Überstreichen des Welterbe-Rahmenbereichs mit dem Rotor 

Das Gericht lehnte ebenfalls eine wesentliche Beeinträchtigung durch das teilweise Überstreichen des Rahmenbereichs des UNESCO-Welterbes mittels des Rotors einer der vier Anlagen. Denn selbst wenn der Landesentwicklungs- oder Raumordnungsplan (Z 163d LEP IV und Z 148c RROP) eine „Rotor-in“-Festlegung enthalten sollte, „wäre ein hieraus resultierendes Genehmigungshindernis durch eine entsprechende Verschiebung der Anlage bzw. eine – angesichts der fehlenden wesentlichen Beeinträchtigung des Welterbes durch die Anlagen durchaus naheliegende – Möglichkeit einer Zielabweichung ausräumbar.“

Der Schutz von Welterbe und Klima schließt sich nicht aus

Mit der Verneinung einer wesentlichen Beeinträchtigung des Werts des UNESCO-Welterbes Oberes Mittelrheintal durch die Errichtung raumbedeutsamer Windenergieanlagen außerhalb des Rahmenbereichs bestätigt das Oberverwaltungsgericht Koblenz die bereits im Urteil von 2019 (6. Juni 2019 – 1 A 11532/18) getroffenen Grundsätze zugunsten der Windenergie und zeigt, dass sich der Schutz von Welterbe und Klima nicht ausschließt. Gleichzeitig sollte angesichts immer höherer Temperaturen und des bald jährlichen Durchbrechens von Hitzerekorden der Klimaschutz selbst zum „Weltkulturerbe“ erhoben werden. Das wäre jedenfalls eine schützenswerte Einstellung zum Schutz der Welt (mit all ihren Kulturereben)!