Tracking pixel Regionalplan Uckermark-Barnim – Droht das Moratorium? · MASLATON Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Regionalplan Uckermark-Barnim – Droht das Moratorium?

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Mit Hinweisbeschluss vom 14.09.2020 (Az.: OVG 10 A 16.17) hat sich der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens gegen den Sachlichen Teilplan „Windnutzung, Rohstoffsicherung und -gewinnung“ zu dessen Wirksamkeit unter Darlegung seiner vorläufigen Rechtsauffassung geäußert. Dem im Amtsblatt für Brandenburg, Nr. 43 vom 18.10.2016 bekannt gemachten Teilplans stehen demnach verschiedene rechtliche Bedenken entgegen. Antragstellerin dieses Normenkontrollantrages ist ein Windkraftprojektierer, deren Interessen von der MASLATON Rechtsanwaltsgesellschaft mbH vor dem OVG Berlin-Brandenburg vertreten werden.

Sachverhalt

Mit Datum des 09.04.2013 erhielt die Antragstellerin eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage im Geltungsbereich des Sachlichen Teilplans Uckermark-Barnim. Die Genehmigung wurde aufgrund rechtsfehlerhafter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens durch das VG Frankfurt (Oder) mit Urteil vom 18.01.2017 (Az.: 5 K 1347/13) aufgehoben. Mit Berufungszulassungsbeschluss vom 23.01.2020 wurde die Berufung gegen diese Entscheidung durch das OVG Berlin-Brandenburg zugelassen. Streitgegenständlich in dem hiesigen Normenkontrollverfahren vor dem OVG Berlin-Brandenburg ist der am 11.04.2016 von der Regionalversammlung der Regionalen Planungsgemeinschaft als Satzung beschlossene Sachliche Teilregionalplan. Die MASLATON Rechtsanwaltsgesellschaft mbH hat zur Begründung der Unwirksamkeit dieses Teilplans sowohl formelle als auch materiell-rechtliche Fehler im Abwägungsvorgang mit Auswirkungen auf das Abwägungsergebnis vorgetragen, die dazu führen, dass dem Plan kein hinreichend schlüssiges Planungskonzept zugrunde liegt.

Nach der vorläufigen Einschätzung des 10. Senats wird der Normenkontrollantrag Erfolg haben. Dabei findet die durch unser Haus vorgetragene Argumentation teilweise Zustimmung; teilweise weicht das Gericht in seiner Begründung von unserem Vortrag ab.

Formelle Mängel

Als ausschlaggebend für die Unwirksamkeit des Sachlichen Teilplans erweisen sich die Verfahrensmängel im Planaufstellungsverfahren. Neben der fehlerhaften öffentlichen Auslegung ist auch die Ausfertigung des Plans nicht fehlerfrei erfolgt.

Die Texte der Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung der Entwürfe 2007, 2011, 2013 und 2015 haben lediglich die Möglichkeit vorgesehen, Stellungnahmen schriftlich oder auf elektronischem Wege abzugeben. Zwar ist gesetzlich keine bestimmte Form der Stellungnahme vorgesehen, allerdings führt die von der Planungsgemeinschaft gewählte Formulierung, nach der die Stellungnahmen auf schriftliche Äußerungen beschränkt sind, zu einer unzulässigen Einschränkung der Möglichkeit der Beteiligungsberechtigung der betroffenen Bürger. Das Gericht hält fest, dass diese auch mündlich oder zur Niederschrift abgegeben werden können müssen, um die Bürger nicht von der Abgabe abzuhalten.

Des Weiteren ist die Ausfertigung der textlichen Festlegungen des Sachlichen Teilplans fehlerhaft erfolgt. Zwar sind auch diesbezüglich gesetzlich weder im Raumordnungsgesetz (ROG) noch im Gesetz zur Regionalplanung und zur Braunkohlen- und Sanierungsplanung Brandenburg (RegBkPlG) ausdrückliche Regelungen zur Ausfertigung eines Regionalplans enthalten, das Rechtsstaatsgebot erfordert jedoch eine Ausfertigung, die sicherstellt, dass der Inhalt des als Satzung beschlossenen Regionalplans mit dem Willen der Regionalversammlung im Zeitpunkt der Beschlussfassung übereinstimmt. Im konkreten Fall bezog sich die Ausfertigung nicht auf die abweichende, im Amtsblatt für Brandenburg bekannt gemachte Fassung, aus der Satz 4 der Zielfestsetzung Z 1 entfernt worden ist. Als Folgefehler ist auch die Bekanntmachung im Amtsblatt für Brandenburg, Nr. 43 vom 18.10.2016 fehlerhaft erfolgt, da diese das Vorliegen einer veröffentlichungsfähigen Satzungsurkunde voraussetzt. Zudem hätte es auch einer erneuten Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung bedurft.

Diese festgestellten formellen Fehler sind nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 ROG 2008 beachtlich und insbesondere aufgrund der rechtzeitigen Rüge im Normenkontrollverfahren nicht durch Zeitablauf unbeachtlich geworden. Die fehlerhaften Bekanntmachungen der öffentlichen Auslegung der Planentwürfe und der Ausfertigungsfehler (einschließlich der Folgefehler) erfassen den gesamten Plan und führen somit zur Gesamtunwirksamkeit des Teilregionalplans.

Materielle Mängel

Aus der vorläufigen Sicht des 10. Senats ist der durch unser Haus angefochtene Sachliche Teilplan auch materiell-rechtlichen Bedenken ausgesetzt. Obwohl das Gericht die Abwägungsfehler hinsichtlich der Festlegung von harten und weichen Tabukriterien – zum Teil – entsprechend unserer Argumentation erkennt, werden daraus jedoch keine Konsequenzen in Bezug auf das Abwägungsergebnis gezogen.

So benennt das Gericht beispielsweise hinsichtlich des 800 m-Abstandes zu Siedlungsgebieten und schutzbedürftigen baulichen Nutzungen im Außenbereich korrekt die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die besagt, dass eindeutig zwischen gesetzlich zwingenden Mindestabständen und darüber hinausreichenden Vorsorgeabständen zu differenzieren ist. Wird eine entsprechende Differenzierung nicht vorgenommen und das Abstandserfordernis – wie vorliegend – einheitlich als weiches Tabukriterium eingeordnet, resultiert daraus ein Fehler im Abwägungsvorgang. Gleichwohl verneint das Gericht die Erheblichkeit dieses Abwägungsfehlers mit Verweis darauf, dass auch trotz der Nichteinordnung als hartes Tabukriterium kein Abwägungsausfall oder -defizit vorliege.

Zustimmung vom OVG Berlin-Brandenburg erfährt die durch unser Haus vorgetragene Kritik beispielsweise hinsichtlich der Einstufung von Wasserschutzzonen II als hartes Tabukriterium. Aufgrund einer Befreiungsmöglichkeit, die die Rechtsverordnung eröffnet, in der die Schutzzonen festgesetzt werden, ist die Festlegung fehlerhaft erfolgt. Daneben erweist sich auch die Einstufung von 200 m Tabuzonen zu stehenden Gewässern als weiches Tabukriterium als problematisch, da der Plangeber keine plausible Argumentation für die Heranziehung des Abstandswertes von 200 m dargelegt hat.

Trotz der zum Teil vom Senat bestätigten materiellen Mängel, wird das Schaffen substanziellen Raums für die Windenergie als gegeben angesehen. Im Verhältnis zu den ermittelten Potenzialflächen seien genügend Eignungsflächen ausgewiesen worden. Nach Sichtung der Begründung des Hinweisbeschlusses stellt diese Annahme gleichzeitig das durchschlagende Argument dafür dar, dass die materiellen Mängel (= Abwägungsfehler) keine Auswirkungen auf das Abwägungsergebnis haben sollen: Der Windenergie werde selbst dann noch substanziell Raum gegeben, wenn die – nach Ansicht des Gerichts – als fehlerhaft eingestuften Kriterien korrigiert würden.

Bewertung

Maßstab für die Einstufung eines Belangs als hartes Tabukriterium ist die rechtliche und/oder tatsächliche Unmöglichkeit der Errichtung und des Betriebs von Windenergieanlagen innerhalb bestimmter Zonen. Die Stringenz der Anwendung dieses Maßstabs durch den Senat lässt sich durchaus kritisch hinterfragen – ebenso wie die Argumentation, dass trotz mehrerer festgestellter Abwägungsfehler ein schlüssiges Planungskonzept vorliege. Zu begrüßen ist hingegen die Zustimmung des Gerichts zur Darlegung der formellen Mängel und der daraus resultierenden Unwirksamkeit des Plans.

Rechtliche Bedeutung des Beschlusses

Rechtliche Bedeutung erlangt der Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg für die Entfaltung der Wirkung des Windkraftmoratoriums.

§ 2c Abs. 1 und 2 RegBkPlG dienen der Sicherung in Aufstellung befindlicher Ziele der Raumordnung zur Steuerung der Windenergienutzung. Dass sich durch eine rechtskräftige oberverwaltungsgerichtliche Entscheidung ein Regionalplan als unwirksam erweist, stellt die erste Voraussetzung für das Inkrafttreten des Moratoriums dar. Der Hinweisbeschluss des OVG Berlin-Brandenburg lässt bereits deutlich werden, dass der Sachliche Teilplan „Windnutzung, Rohstoffsicherung und -gewinnung“ in seiner Gesamtheit Unwirksam ist. Es ist zu erwarten, dass die Regionale Planungsgemeinschaft Uckermark-Barnim diesen Hinweisbeschluss zum Anlass nehmen wird, zeitnah einen Aufstellungsbeschluss für einen neuen Teilregionalplan sowie dessen öffentlicher Bekanntmachung vorzubereiten und darin Ziele und Grundsätze der Raumordnung festzulegen, die inhaltlich mutmaßlich mit der streitgegenständlichen Planung übereinstimmen werden. Mit Durchführung dieser Verfahrensschritte würden nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des Gerichts die übrigen Voraussetzungen für die Entfaltung der Wirkung des Moratoriums vorliegen.

Folge ist die Inkraftsetzung einer Art raumordnerischer Veränderungssperre für Windenergievorhaben, gemäß derer die Erteilung von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen raumbedeutsamer Windenergieanlagen in der betroffenen Planungsregion pauschal für zwei Jahre nach Veröffentlichung des Aufstellungsbeschlusses im Amtsblatt vorläufig unzulässig wird, § 2c Abs. 1 S. 3 RegBkPlG.

Von der Unzulässigkeit unberührt bleiben gemäß des gemeinsamen Rundschreibens des Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung sowie des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft vom 01.08.2019 (Amtsblatt für Brandenburg, Nr. 33, vom 21.08.2019, wir berichteten bereits mit Meldung vom 19.09.2019, https://www.maslaton.de/news/Rundschreiben-konkretisiert-brandenburgisches-Moratorium--n718) allerdings bereits erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigungen, die in anhängigen gerichtlichen Verfahren überprüft werden. Auf Rechtsbehelfsverfahren, die auf die Erteilung einer vor dem Inkrafttreten des § 2c RegBkPlG abgelehnten Genehmigung gerichtet sind, ist die Regelung der vorläufigen Unzulässigkeit jedoch anzuwenden.

Genehmigungsanträge, die sich im laufenden Genehmigungsverfahren befinden, werden weitergeführt. Die Genehmigungsbehörde entscheidet unter Beteiligung der Gemeinsamen Landesplanungsabteilung und der Regionalen Planungsgemeinschaft Uckermark-Barnim, ob die Voraussetzungen für eine Genehmigung vorliegen und ob zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife § 2c Abs. 1 S. 3 RegBkPlG der Erteilung einer Genehmigung entgegensteht. Ist dies der Fall, prüft die Gemeinsame Landesplanungsabteilung die Zulassung einer Ausnahme von der vorläufigen Unzulässigkeit, die erteilt werden kann, wenn und soweit die vorzeitige Zulassung von Windenergieanlagen die in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung nicht konterkariert. Kommt eine Ausnahmeerteilung nicht in Betracht, kann der Vorhabenträger um erneute Prüfung beten, sobald sich Planungskriterien verfestigen oder Planungsabsichten verändern.

Neu eingehende Genehmigungsverfahren werden darauf geprüft, ob für sie die Erteilung einer entsprechenden Ausnahme in Betracht kommt. Die Genehmigungsbehörde empfiehlt die Aussetzung der Bearbeitung bis zum Abschluss dieser Prüfung und informiert den Vorhabenträger darüber, dass bei negativer Prognose für eine Ausnahme der Antrag gebührenfrei zurückgenommen werden kann.

Empfehlungen

Allen Projektierern, die noch nicht in das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren eingetreten sind, ist anzuraten, einen Vorbescheidsantrag nach § 9 BImSchG bei der zuständigen Genehmigungsbehörde zu stellen. Entsprechend der Ratio des § 2c RegBkPlG zur Planungssicherung und unter Berücksichtigung der Unwirksamkeit des Teilregionalplans ist zwar nicht davon auszugehen, dass ein solcher Vorbescheid planungsrechtliche Fragestellungen beinhalten kann, denn das Moratorium soll laut Gesetzesbegründung gerade für Planungssicherheit sorgen (RegBkPlG, Drs. 6/9504, Begründung, S. 2). Allerdings kann über die übrigen Genehmigungsvoraussetzungen durch Vorbescheid entschieden werden. Der Vorteil aus dieser Vorgehensweise ergibt sich daraus, dass mit dem Zeitpunkt des Ablaufs des Moratoriums eine schnelle Genehmigungserteilung erreicht werden kann, da lediglich die planungsrechtliche Situation zu prüfen bleibt. Hinzuweisen ist jedoch auf das Risiko, dass der begehrte Standort mit der neuen Planung entfällt.

Für Projektierer, die bereits über einen die planungsrechtliche Zulässigkeit bestätigenden Vorbescheid verfügen, gilt zwar grundsätzlich, dass die Bindungswirkung an bereits erteilte Vorbescheide bestehen bleibt. Mit Inkrafttreten des Moratoriums hängt die Realisierbarkeit des Vorhabens dennoch von der Erteilung einer Ausnahme nach § 2c Abs. 2 RegBkPlG ab. Denn es handelt sich dabei um eine pauschale Unzulässigkeit, nach der die Erteilung einer Genehmigung auch bei Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen gemäß § 6 Abs. 1 BImSchG vorläufig unzulässig wird.

Sobald das Moratorium in Kraft tritt, sollte in jedem Fall die Gewährung einer landesplanerischen Ausnahme angestrebt werden. Bis das Moratorium rechtliche Bedeutung für die Zulassung von Windenergieanlagen erlangt, sollten die Vorhabenträger versuchen, in Abstimmung mit den Behörden die Genehmigungserteilung für weit fortgeschrittene Vorhaben zu forcieren. Solange keine rechtskräftige Entscheidung über die Unwirksamkeit des Sachlichen Teilplans durch das OVG Berlin-Brandenburg und kein Neuaufstellungsbeschluss vorliegen, gilt für die Genehmigungsbehörden weiter die alte Rechtslage.